Seit zehn Jahren bringen die Johanniter Obdachlosen nicht nur Essen und Kleidung, sie schenken auch Zeit und Anteilnahme. Seit 2009 hat sich viel verändert

Die zwei ehrenamtlichen Johanniter Sven Spillecke (li.) und Daniela Malmer-Brünig (re.) beim Einsatz am Kröpcke.

Hannover –  Den Anfang machte ein Gedanke: Wir wollen helfen! Vor zehn Jahren ging der Johanniter-Kältebus an den Start. Zunächst noch etwas provisorisch, aber gleich mit Erfolg und unter ganz anderen Bedingungen als heute.

„Zu der Zeit waren so gut wie keine Frauen und Jugendlichen unter den Obdachlosen“, erinnert sich Dana Jörk, damals Helferin, heute Fachbereichsleiterin Jugend und Ehrenamt im Ortsverband Hannover-Wasserturm. „Und alle, die kamen, holten sich nur ihr Essen und verschwanden sofort wieder.“ Heute sieht es anders aus, wenn die Helfer bei denen eintreffen, die auch im Winter Platte machen. Stark angestiegen ist der Anteil von Bedürftigen aus Ländern im Osten Europas, was die Kommunikation oft erschwert. Gestiegen ist die Zahl von obdachlosen jungen Leuten, die vielfach auch Drogen konsumieren. Und es sind spürbar mehr Frauen unter den Hilfesuchenden, die neben Essen und Getränken auch Bekleidung und Hygieneartikel benötigen.

Seit der vergangenen Saison fährt der Kältebus der Johanniter an drei statt zwei Tagen, immer montags, mittwochs und freitags in der Zeit von 17 bis 20 Uhr. Es geht erst zum Raschplatz am Hauptbahnhof und dann weiter zum Kröpcke. Damit die Menschen gut versorgt werden, stimmen die Hilfsorganisationen sich ab, dienstags und donnerstags übernehmen Caritas und die Malteser. Wenn bei Dauerfrostperioden die nächtliche Temperatur unter null Grad liegt, weiten die Johanniter ihr Angebot aus und fahren jeden Tag.

Foto: : Sie machen es möglich (von links): Karsten, Michael und Marcel, Sven, Daniela, Dana und Peter,Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.

An den Einsatztagen schalten die Johanniter außerdem von 14 bis 20 Uhr eine Servicerufnummer, unter der besorgte Bürger Schlafplätze oder Treffpunkte von Obdachlosen melden können. Die Nummer lautet 0800-0848488. Die Johanniter-Einsatzzentrale gibt die Informationen an das Kältebus-Team weiter, das die Orte abfährt und den Menschen Hilfe anbietet. Sollten Obdachlose allerdings erkennbar hilfebedürftig oder verletzt sein, bitten die Johanniter um die direkte Wahl der Rettungsnummer 112.

Seit inzwischen zehn Jahren gibt es das zwölfköpfige Stammteam von ehrenamtlichen Kältebus-Mitarbeitern, denen es ein besonderes Anliegen ist, die Menschen auf der Straße mit gutem Essen zu versorgen. Jedes Jahr bekommt die Gruppe Unterstützung von Ehrenamtlichen aus anderen Einsatzstaffeln, zum Beispiel den Stauhelfern oder von Kollegen der Psychosozialen Notfallversorgung. Immer dabei sind auch junge FSJ-ler, die mitunter zum ersten Mal Menschen begegnen, deren Leben in Schieflage geriet. Sie alle nehmen sich Zeit, gehen einkaufen und bereiten jedes Essen frisch zu. Auf dem Speiseplan stehen gehaltvolle und vitaminreiche Gerichte wie Soljanka, Frikassee, Wurstgulasch oder Grünkohl zur Weihnachtszeit.

In der Saison 2018/19 gaben die Helfer 5489 Portionen Essen und 1121 warme Getränke aus – ab dieser Saison übrigens erstmal in Geschirr aus biologisch abbaubarem Material.

Die Johanniter verteilen außerdem warme Kleidung, Isomatten, Schlafsäcke sowie Mützen, Schals und Handschuhe. Wer gut erhaltene Sachspenden in größerer Menge abgeben möchte, kann sich über die Servicenummer melden. Nicht mehr genutzte Kleidung in kleinerer Menge nimmt die Johanniter-Kleiderkammer „Nahtstelle“ in Langenhagen (Pferdemarkt 84, Di., Mi. und Do. 10-12 und 16:30-18:30 und jeweils am ersten Sonnabend im Monat 10-12 Uhr) entgegen. Besonders freuen sich die Helfer in diesem Jahr über gestrickte Wollsocken in großer Größe. „Die mangelhafte Durchblutung der Füße bei Kälte, dazu vielleicht noch Verletzungen, das macht Probleme“, sagt Dana Jörk. Sie und ihr Team registrieren das seit den ersten Fahrten, weil sie bei ihren Einsätzen kleinere Wunden und Verletzungen versorgen können. Sie wissen auch, dass die Obdachlosen erst um Hilfe bitten, „wenn es richtig weh tut“, so Dana Jörk. Umso wichtiger ist eine gute Ausstattung gleich zu Winterbeginn.

Hilfsbedürftige und Helfer. Viele kennen sich, erkennen sich wieder, freuen sich im November über ein Treffen nach monatelanger Pause. „Bisschen quatschen“, so Dana Jörk, gehört inzwischen bei vielen dazu. In ruhigen Momenten auch mal mehr. Dann wird plötzlich erzählt vom Leben und der Familie, den Enkelkindern und den Umständen, die in die Obdachlosigkeit führten. Dazu reichen oft schon wenige Worte. Genauso wie bei Wünschen und Bedürfnissen. „Ist Dir nicht kalt?“ – „Doch.“ – „Brauchst Du eine neue Jacke?“ – „Vielleicht.“ Okay. Die Helfer schreiben es auf und bringen beim nächsten Mal gezielt eine dicke Jacke oder bunte Wollsocken, eine Decke oder eine Haarbürste mit.

HCN/ar