On-Demand-Angebote in der Region Hannover Bundesweit einmaliges Pilotprojekt geplant

ÜSTRA und regiobus Region: On-Demand-Verkehre /Foto: Amelie Hillebrand

Hannover – Die Region Hannover und die Verkehrsunternehmen ÜSTRA und regiobus planen, ein sogenanntes On-Demand-Verkehrssystem im Umland Hannovers einzurichten. Für eine bis zu dreieinhalb Jahre dauernde Testphase wird das System in zunächst drei Kommunen ab Sommer 2021 gestartet.

„Ein Projekt in dieser Dimension im ländlichen Raum hat es bundesweit noch nicht gegeben“, erläutert der Verkehrsdezernent der Region Hannover, Ulf-Birger Franz. Bei mehr oder minder erfolgreichen Versuchen in den letzten Jahren, On-Demand- Verkehre zu etablieren, konzentrierten sich verschiedene Anbieter eher auf urbane Gebiete. „Solche Mobilitätsangebote im Umland einzurichten, sind schon aufgrund der potenziellen Nutzerzahlen weniger lukrativ“, führt Franz aus. „Genau deshalb sind die kommunalen Unternehmen gefordert, die Qualität in diesem Sektor des Öffentlichen Personennahverkehrs hochzufahren. Letztlich geht es darum, auch dort den Umstieg auf umweltschonendere Mobilität zu fördern und damit die Verkehrswende zu forcieren. Das neue Angebot soll durch Schnelligkeit und Nähe überzeugen“, so Franz

Was sind On-Demand-Verkehre?

Einmaliges Pilotprojekt geplant /Foto: regiobus

On-Demand- oder Bedarfsverkehre kommen in der Regel dann zum Einsatz, wenn die Nachfrage nach Mobilitätsdienstleistungen geringer ist (nachts, am Wochenende) und der Betrieb größerer Fahrzeuge sich wirtschaftlich nicht mehr darstellen lässt. Im ländlichen Raum bildet der On-Demand-Verkehr die sog. 3. Bedienebene im ÖPNV.

Zur ersten Bedienebene gehören in der Region Hannover die Schienenverkehre (Regionalzüge, S-Bahnen, Stadtbahnen) und Buslinien, die dem Schienenverkehr vom Charakter her (Angebot, Taktung) stark ähneln. Zur 2. Bedienebene zählen im Wesentlichen die Regionalbuslinien, die Ortsteile innerhalb der Kommunen oder Kommunen untereinander verknüpfen.

Bedarfsverkehre gibt es bereits seit den 90er Jahren in der Region Hannover in den Varianten Ruftaxi, Anrufsammeltaxi (AST) oder Rufbus. Die Angebote sind aktuell nicht einheitlich, werden in der Regel in Randzeiten, also am Wochenende oder nachts angeboten. Zum Teil werden Zuschläge erhoben. Die Buchung muss bis zu anderthalb Stunden im Voraus erfolgen.

Intelligent und integriert unterwegs

Kernstück des neuen Angebotes wird eine Dispositionssoftware sein, die Fahrtenwünsche- bzw. Buchungen einerseits intelligent kombiniert und andererseits Anschlüsse an Bus oder Bahn gewährleistet. „Es muss für den Kunden komfortabler werden, On-Demand-Verkehre zu nutzen“, sagt Klaus Geschwinder, Teamleiter Verkehrsentwicklung- und Verkehrsmanagement bei der Region Hannover. Gemeinsam mit ÜSTRA und regiobus arbeiten er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits seit rd. anderthalb Jahren an dem Thema. „Zusammen mit der Fa. ViaVan haben wir die konzeptionellen Grundlagen für dieses ambitionierte Pilotprojekt gelegt“, so Geschwinder. Dabei wurden die Pilotkommunen identifiziert, Potenziale abgeschätzt und die operativen Abläufe vorgeplant. „Die Buchung soll über die GVH-App erfolgen. Die Kunden werden an virtuellen Haltestellen abgeholt bzw. abgesetzt – nicht weiter als 150 Meter vom Start- oder Zielort entfernt“, sagt Geschwinder. Von der Buchung des Kunden bis zur Nutzung sollen nur ca. 15 Minuten vergehen.

In drei Kommunen am Start

Das Projekt soll im Sommer 2021 in der Wedemark, in Sehnde und in Springe an den Start gehen. Bei der Auswahl der Pilotkommunen wurde auf die Unterschiedlichkeit der Gebiete geachtet, um möglichst viele Erfahrungen zu verschiedensten Aspekten sammeln zu können. In den drei Kommunen leben rd. 83.000 Einwohner. „In der Wedemark und in Springe werden wir die jetzigen Anrufsammeltaxi-Verkehre durch das neue Angebot ersetzen. Speziell in Springe wollen wir Erfahrungen mit der Bedienung in der Kernstadt sammeln. In der Wedemark liegt der Fokus auf die Anbindung an den Schienenverkehr“, erklärt regiobus-Geschäftsführerin Elke van Zadel. „Das Angebot wird in den GVH-Tarif integriert – die Fahrkarten des Verbundes werden entsprechend anerkannt. Wer eine Fahrkarte braucht, kann diese ebenfalls über die App kaufen. Wir wollen damit bargeldloses Bezahlen weiter vorantreiben“, so van Zadel.

„In Sehnde wird der neue Service die Linien- und RufTaxi-Angebote auf den Buslinien 371 und 372 ersetzen“, sagt ÜSTRA-Vorständin Denise Hain. Eine punktuelle Erweiterung in Richtung des Lehrter Ortsteils Ahlten mit der Anbindung an die S-Bahn-Station und Einkaufsmöglichkeiten ist ebenfalls vorgesehen.

„Die Fahrzeuge, mit denen das Testangebot begleitet wird, werden bis zu sechs Fahrgäste aufnehmen können. Sie werden barrierefrei und in der Lage sein, Rollstühle, Rollatoren oder Kinderwagen zu transportieren“, ergänzt Hain. Insgesamt 20 Kleintransporter sind für die drei Kommunen vorgesehen. Attraktiv und vor allem besser merkbar sollen die Einsatzzeiten sein: 06:00 bis 01:00 Uhr an Werktagen, samstags und sonntags: 08:00 bis 01:00 Uhr.

Weitere Planung

Die Experten aus den beteiligten Häusern bereiten in den nächsten Wochen eine entsprechende Ausschreibung des Pilotprojektes vor. Im Spätsommer 2020 will man sich für einen Anbieter entscheiden, der sowohl Fahrzeuge als auch das notwendige Personal stellt. Die Planung des Fahrzeugeinsatzes und die Einbindung der Buchungssoftware in die vorhandenen digitalen Kanäle des GVH sind ebenfalls Bestandteil des Vergabeverfahrens.

Finanzierung

Zurzeit gehen die groben Kostenkalkulationen von jährlichen Aufwendungen zwischen 2,9 und 3,5 Mio. Euro aus. „Wir werden versuchen Fördermittel des Bundes oder auch des Landes für dieses ambitionierte Projekt zu akquirieren“, so Franz. Der geförderte Betrag könnte zwischen 50 und 80 Prozent liegen. „Darüber hinaus gehen wir von Einnahmen zwischen 500.000 bis 700.000 Euro pro Jahr aus, so dass hier eine gewisse Gegenfinanzierung gewährleistet ist“, betont der Verkehrsdezernent.

Neues Angebot – neuer Name

sprinti – so soll das neue Angebot in den drei Testkommunen heißen. „Wir haben uns bei der Namensfindung und der Farbgebung an den seit Ende letzten Jahres eingesetzten sprintH Linien orientiert“, erklärt Franz. Diese sieben Buslinien verbinden das Umland mit Hannover im engen und merkbaren Takt.

„Den hohen Standard, den wir mit den sprintH Linien im Bus-Bereich eingeführt haben, möchten wir mit diesem Angebot ergänzen. Der sprinti ist also quasi der kleine Bruder des sprintH“, so Franz.

HCN/la