Virtueller Rundgang mit Zeitzeugin ist neuer Bestandteil des Mediaguide-Systems
Hannover – An den 5. Februar 1945 kann Ruth Gröne sich noch ganz genau erinnern.
An diesem Tag sah die damals Elfjährige ihren Vater zum allerletzten Mal: Er wurde von der Gestapo abtransportiert, ins Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg gebracht und später nach Sandbostel, wo er starb. Ruth Grönes Geschichte ist bis heute mit Ahlem verbunden, hier lebte sie im so genannten Judenhaus, hier war ihr Vater im Gestapo-Gefängnis, hierher kehrt die heute 85-Jährige immer wieder zurück, um die Erinnerung wach zu halten.
Auf einem virtuellen Rundgang folgt die Zeitzeugin den „Spuren meines Vaters“ durch die Ausstellung der Gedenkstätte Ahlem. Die Führung ist ein neues Angebot im Mediaguide-System der Gedenkstätte Ahlem.
„Am Beispiel des Schicksals von Ruth Gröne und ihrer Familie zeigt sich, mit welcher Unmenschlichkeit und Willkür die Nationalsozialisten mit ihren Opfern umgegangen sind. Indem wir das deutlich machen, geben wir den Opfern ihre Identität zurück und stellen sicher, dass sie nicht in Vergessenheit geraten“, erklärte Regionspräsident Hauke Jagau heute bei der Vorstellung der virtuellen Führung.
„Mit dem Mediaguide-System bieten wir Besucherinnen und Besuchern eine zeitgemäße Form der Annäherung an die wechselvolle Geschichte des Ortes Ahlem. Ein wertvolles Angebot, denn in absehbarer Zeit werden uns die Menschen, die diese Geschichte selbst erlebt haben, nicht mehr persönlich darüber berichten können. Umso wichtiger ist es, ihre Erinnerungen wachzuhalten.“
Ruth Gröne folgt in der Ausstellung den „Spuren ihres Vaters“, so der Titel des Rundgangs. Einen Schwerpunkt bildet die erste Etage der Dauerausstellung, die Ahlem als Ort der Verfolgung darstellt. Dabei nimmt die Zeitzeugin auch Bezug auf die Ausstellungsinhalte und verbindet diese mit ihrer eigenen Lebensgeschichte und dem Schicksal ihrer Familie.
„Als mein Vater im Gestapo-Gefängnis war, habe ich jede Möglichkeit wahrgenommen, um mit ihm in Kontakt zu kommen“, erinnert sie sich. Und auch der Vater ließ Ruth und ihrer Mutter heimlich Briefe zukommen. Einer davon ist in der Ausstellung zu lesen. Auch das Außengelände und der ehemalige Hinrichtungsort sind Teil der Führung.
Ruth Gröne hat vom Toilettenfenster des Judenhauses aus selbst gesehen, wie Menschen zur Hinrichtung in die Baracke auf dem Außengelände geführt wurden. Auch daran erinnert sie sich im Rundgang.
Die Führung dauert etwa 45 Minuten und bietet eine Kombination aus Videosequenzen mit Ruth Gröne in der Ausstellung sowie Sequenzen mit Audio-Informationen. Der Rundgang mit Ruth Gröne richtet sich an alle interessierten Besucherinnen und Besucher, die einen biografischen Zugang zur Ausstellung einem auf die reinen historischen Daten bezogenen
Rundgang mit dem Mediaguide vorziehen.
Zunächst gibt es die Führung nur auf Deutsch, eine Übersetzung auf Englisch und Hebräisch sind in Vorbereitung. Auch in Workshops mit Schulklassen soll die multimediale Führung nun Verwendung finden.
HCN/su