Vernetzte Versorgung senkt Sterblichkeit: Team Gehrden und MHH behandeln gemeinsam Aortenbogenaneurysma

Foto: KRH (Aortenbogenstent_Gehrden_MHH_presse.jpg) Vier Tage nach den komplexen Eingriffen ging es dem Patienten Alexander Legler (Mitte) schon wieder gut – sehr zur Freude des gesamten Behandlungsteams der MHH und des KRH Klinikum Robert Koch Gehrden: (v. l.) Prof. Dr. Axel Haverich, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Nikolaj Mokov, Oberarzt im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie im KRH Klinikum Robert Koch Gehrden, Prof. Dr. Marc W. Merx, Chefarzt der Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten und Internistische Intensivmedizin (KRH Gehrden), Franziska Nellesen, MTRA im radiologischen Institut (KRH Gehrden), Barbara Lehmann-Dorl, Chefärztin der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin (KRH Gehrden), Prof. Dr. Malakh Shrestha, Stellv. Direktor Klinik für Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie und Leiter des Aortenzentrums (MHH), Dr. Michael Maringka, Chefarzt der Gefäß- und Endovaskularchirurgie (KRH Gehrden) und Dr. Götz Voshage, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie (KRH Gehrden).

Hannover -Wegen einer Lungenembolie musste Alexander Legler 2017 im Krankenhaus behandelt werden. Als ob das nicht hart genug gewesen wäre, kam noch die nächste Hiobsbotschaft hinterher. Während seines Aufenthaltes wurde festgestellt, dass der 73-Jährige ein Aneurysma am Aortenbogen hatte. Konkret bedeutet das: Das größte Blutgefäß hatte ganz knapp am Herzen eine Beule entwickelt. „Das Problem an einer solchen Aussackung ist, dass sie im Laufe der Zeit immer größer wird“, verdeutlicht Nikolaj Mokov, Oberarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am KRH Klinikum Robert Koch Gehrden. Er und das Institutsteam leisteten nicht nur die diagnostische Vorarbeit, als es darum ging, die erkrankten Gefäße bildlich darzustellen, sondern führten auch den Eingriff federführend durch.

Wie bei einem Luftballon, den man aufbläst, wird die Gefäßwand immer dünner und brüchiger. „Wenn ein solches Aneurysma dann reißt, sind die Patient*innen in höchster Lebensgefahr. Innerhalb weniger Minuten können sie dann innerlich verbluten“, ergänzt Dr. Michael Maringka, Chefarzt der Gefäß- und Endovaskularchirurgie.

Alexander Legler wusste um die große Gefahr, die da knapp oberhalb seines Herzens in seiner Brust schlummerte. Doch der neunfache Urgroßvater wusste auch um das Risiko, das eine herkömmliche offene Operation mit sich brachte. Dies hatte er mit dem Spezialistenteam um Prof. Dr. Malakh Shrestha, Stellvertretender Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie und Leiter des Aortenzentrums an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), ausführlich erörtert. Hier war er nach der ersten Diagnose vorstellig geworden. „Gerade, weil Herr Legler eine Reihe von Begleiterkrankungen mitbrachte, mussten wir hier in einen komplexen Abwägungsprozess einsteigen und haben sehr intensiv nach schonenderen Behandlungsalternativen gesucht“, so Shresta.

Bei einer klassischen Operation muss der Brustkorb geöffnet werden und die Sauerstoffversorgung des Patienten während der Operation erfolgt mit Hilfe einer Herz-Lungenmaschine – beides ist sehr belastend. Bei Patienten mit schweren Nebenerkrankungen liegt das Risiko, bei einer solchen Operation zu versterben, bei bis zu 30 Prozent. „Das Aneurysma lag bei Herrn Legler an einer besonders sensiblen Stelle“, verdeutlicht der Herz- und Gefäßspezialist Prof. Dr. Axel Haverich, Chefarzt der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „In dem Aortenbogen gehen die Blutgefäße für den Kopf und die Arme ab. Was bei einer Unterversorgung des Kopfes mit Blut geschieht, dass kann sich jeder vorstellen.“

Gerade weil der Fall von Alexander Legler so komplex war, war hier eine Versorgung nur innerhalb eines Expertennetzwerkes möglich. Die Partner hierfür fand die MHH im KRH Klinikum Robert Koch, welches in der Radiologie über eine langjährige herausragende interventionelle Expertise und außergewöhnliche Geräteausstattung verfügt. „Nur, wenn alle Expertinnen und Experten eng verzahnt miteinander arbeiten, kann eine Behandlung von Erfolg gekrönt sein.“ ordnet Dr. Götz Voshage, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie in Gehrden, die Rahmenbedingungen ein, unter denen der erfolgreiche Eingriff stattfinden konnte.

Seit Jahren gibt es einen engen und intensiven Austausch zwischen der Herzchirurgie der MHH und der Kardiologie in Gehrden. Dies gilt insbesondere in Notfallsituationen bei Bypasseingriffen oder Herzklappenerkrankungen. Aus den kollegialen Kontakten wussten die Hochschulmediziner um die Leistungsfähigkeit der Gehrdener Kolleg*innen.

Hier fand noch einmal eine radiologische Abklärung und der intensive Austausch mit allen Beteiligten statt, wie genau die Eingriffe erfolgen sollten. Zunächst wurde Alexander Legler in einer offenen OP, ohne den Brustkorb zu öffnen, ein Bypass, eine Umleitung von der linken Halsschlagader zur linken Armschlagader gelegt. Die Gründe für dieses Vorgehen: Der Abgang der linken Halsschlagader im Aortenbogen ist bei diesem Eingriff nur schwer mit einem Stent zu erreichen und würde die Gesamtbelastung deutlich erhöhen.

Tage später folgte dann die eigentliche Behandlung des Aneurysmas am Aortenbogen. Die Narkose durch die Anästhesie musste sehr sensibel eingesetzt werden. Zum einen wegen der Vorerkrankungen des Patienten, zum anderen weil die Kardiologen Leglers Herz durch elektrische Impulse kurzzeitig in einen funktionellen Stillstand versetzen mussten. Dies war der Part von Prof. Dr. Marc W. Merx, Chefarzt der Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten und Internistische Intensivmedizin in Gehrden. „Das war wichtig, damit die interventionellen Radiologen den Stent, die Gefäßstütze aus einem gewebten Kunststoff mit Metallverstärkung, im Aortenbogen an genau der richtigen Stelle platzieren konnten.“ Das passiert mit Hilfe eines Katheters. Die Leistenarterie wird mit einer feinen Nadel punktiert und der Katheter mit der zusammengefalteten Gefäßstütze durch das Innere der Gefäße zum Aortenbogen geführt. Das Ganze erfolgt unter Röntgenkontrolle. So sehen die Experten, was sie im Inneren des Menschen machen. Besonders schwierig bei dem Aortenbogeneingriff: Neben der Implantation des Stent-Hauptkörpers im Aortenbogen mussten die Hirn- und Arm versorgenden Gefäße mittels weiterer Stents an den Hauptkörper angeschlossen werden.

Nachdem der Stent richtig saß, konnte das Herz wieder in seinen normalen Takt gebracht werden und Legler aus seinem Schlummer zurückgeholt werden. Bereits wenige Tage nach dem Eingriff konnte der 73-Jährige erste Schritte auf dem Stationsflur wagen. „Mir ist eine Riesenlast genommen. Dafür bin ich dem Team der MHH und der Mannschaft in Gehrden von Herzen dankbar.“

Für Prof. Haverich von der MHH ist das ein Musterbeispiel für die Vorteile der gelebten Vernetzung innerhalb der Gesundheitsregion Hannover. „Wir haben hier einen Fall, bei dem sehr eindrücklich klar wird, wie stark die Patientinnen und Patienten profitieren können, wenn wir unser Können und Wissen miteinander verzahnen. Aus meiner Sicht schlummert hier noch viel Vernetzungspotential, das wir unbedingt heben sollten.“

HCN/Cu