Stadt Hannover startet Modellprojekt zum Cannabisgebrauch – Vorreiter in Deutschland

Stadt Hannover startet Modellprojekt zum Cannabisgebrauch - Vorreiter in Deutschland
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Hannover – Stadt Hannover startet Modellprojekt zum Cannabisgebrauch: Eine kontrollierte Abgabe von Cannabis in bis zu drei Verkaufsstellen im Stadtgebiet und unter wissenschaftlicher Begleitung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) – das ist Gegenstand des ersten Modellprojektes zum Cannabisgebrauch in Deutschland, das die Landeshauptstadt Hannover Anfang 2025 startet. Kooperationspartner sind die Stadt Frankfurt und die Sanity Group GmbH. Rund 4.000 Menschen werden in Hannover voraussichtlich an der Studie teilnehmen, die Aufschluss über Konsumverhalten und Auswirkungen auf Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt geben soll.

Absichtserklärung unterschrieben

Oberbürgermeister Belit Onay unterzeichnete eine Absichtserklärung für das innovative Projekt und erklärte in diesem Rahmen: „Uns geht es um die Anerkennung gesellschaftlicher Realitäten. Die Zahlen konsumierender Menschen aller Altersgruppen in Deutschland steigen stetig. Das zeigt, dass das Verbot offenbar nur eingeschränkt funktioniert. Hinzu kommen erhebliche gesundheitliche Risiken durch steigende THC-Werte und Verunreinigungen in Cannabisprodukten auf dem Schwarzmarkt. Da der Bundestag eine kontrollierte Freigabe von Cannabis beschlossen hat, erhoffen wir uns mit dem Modellprojekt eine bessere Integration der Konsument*innen in das Hilfesystem, einen verbesserten Jugendschutz und eine Verdrängung des illegalen Marktes. Durch die wissenschaftliche Begleitung können wir die gewonnenen Erkenntnisse in zukünftige politische Entscheidungen einfließen lassen. Die Kooperation mit der Stadt Frankfurt ermöglicht uns zudem einen wichtigen Erfahrungsaustausch auf kommunaler Ebene.“

Umsetzung – Verkaufsstellen – Wissenschaftliche Begleitung

Das Modellprojekt läuft über fünf Jahre und soll volljährigen Studienteilnehmenden, die einen regelmäßigen Wohnsitz in der Stadt Hannover haben, einen legalen Zugang zu Cannabisprodukten mit unterschiedlichem THC-Gehalt an bis zu drei verschiedenen Verkaufsstellen ermöglichen. Darüber hinaus muss eine Bereitschaft bestehen, durch eine regelmäßige Teilnahme an den wissenschaftlichen Befragungen aktiv an der Studie mitzuwirken. Eine Weitergabe von gekauften Produkten an Dritte führt zu einem sofortigen Ausschluss. Im Rahmen der Studie wird eine Studien-Kontrollgruppe eingesetzt. Diese wird sich aus Mitgliedern des Cannabis Social Club Hannover e. V. (CSC) zusammensetzen.

Stadt Hannover startet Modellprojekt zum Cannabisgebrauch

„Unser Hauptinteresse an diesem Projekt sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die einen Aufschluss über die Auswirkungen eines legalen Verkaufs auf die Konsumhäufigkeit, die Veränderung bei der Auswahl des THC-Gehaltes der gekauften Produkte oder einem Wechsel auf Produkte mit geringerer Gesundheitsschädigung geben. Wir wollen uns damit von Vermutungen und ideologischen Debatten entfernen. Darüber hinaus können wir auf diese Weise in einen direkten Kontakt mit den Konsument*innen treten und sofern notwendig in Beratungsangebote überleiten“, erläuterte Sozialdezernentin Sylvia Bruns.

Die medizinische und wissenschaftliche Begleitung am Standort Hannover übernimmt Prof. Dr. med. Kirsten Müller-Vahl, geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover zusammen mit Dr. med. Thomas Peschel, Gründer der Diamorphinambulanz Patrida in Hannover.

„Die Daten aus dieser Studie könnten künftig eine wichtige Grundlage für die Gestaltung einer zukunftsorientierten Drogenpolitik bilden. Durch die wissenschaftliche Untersuchung der Auswirkungen eines regulierten und strukturierten Zugangs zu Cannabis lässt sich feststellen, ob Gesundheits- und Jugendschutz gestärkt, Konsumrisiken verringert und der illegale Markt zurückgedrängt werden können“, so Prof. Müller-Vahl zur Zielsetzung des Projekts. „Langfristig können die Ergebnisse der Studie dabei unterstützen, sichere Rahmenbedingungen für Konsumierende zu schaffen und die öffentlichen Gesundheitsressourcen effektiver zu nutzen.“

Pseudonymisierter Teilnehmendenausweis

Um sicherzustellen, dass nur Studienteilnehmende in den Verkaufsstellen einkaufen können, erhalten diese einen pseudonymisierten Teilnehmendenausweis. Über diesen kann ausgelesen werden, in welcher Verkaufsstelle welche Cannabismengen im aktuellen Monat bereits gekauft wurden. Ermöglicht wird dies durch einen QR-Code, der auf der Produktverpackung aufgedruckt ist und beim Verkauf eingescannt wird. So kann zum einen sichergestellt werden, dass sich die Abgabemenge auf die gesetzlich zulässige Menge beschränkt. Zum anderen kann bei einem Auffinden der Verpackung aufgeklärt werden, ob die mitführende Person auch tatsächlich selbst der Käufer des Produkts war.

Mangelnde Qualität von Cannabis auf dem Schwarzmarkt – Stichproben in Hannover

Die Sanity Group, Umsetzungspartner des Modellprojektes, betreibt bereits seit Ende 2023 zwei Verkaufsstellen als Teil einer vergleichbaren Studie in der Schweiz und hat kürzlich eine Stichprobenerhebung in 30 deutschen Städten zu Cannabis auf dem Schwarzmarkt durchgeführt – darunter auch Hannover. Projektleiter Leonard Friedrich, verantwortlich für das Verkaufsstellenkonzept in der Landeshauptstadt, erläuterte: „Die Ergebnisse dieser Analysen untermauern deutlich, wie dringend der politische Handlungsbedarf wirklich ist. In Proben aus Hannover wurden beispielsweise Spuren von in der EU verbotenen Pestiziden sowie von Kokain gefunden. Mit Blick auf den Gesundheitsschutz als Ziel der Teil-Legalisierung von Cannabis sind wissenschaftliche Modellprojekte wie dieses ein enorm wichtiger Schritt hin zu einem legalen Zugang zu sauberen, sicheren Produkten. Wir freuen uns, die Stadt Hannover bei diesem Vorhaben unterstützen zu dürfen.“

Interaktion mit Konsument*innen – Konsumkompetenz Workshops

Um in den Verkaufsstellen eine niederschwellige Interventionsmöglichkeit zu bieten, wird das Personal entsprechend geschult. Es soll den Konsumierenden sowohl bei Fragestellungen zur Verfügung stehen als auch bei Auffälligkeiten im Konsumverhalten und -mustern das Gespräch suchen, um einen Übergang in Beratungsangebote zu ermöglichen. Durch die niederschwellige Ansprache in den Verkaufsstellen vor Ort soll ermöglicht werden, frühzeitig auf die Studienteilnehmenden einzuwirken, bevor es potenziell zu schädlichen Abhängigkeitsmustern kommt. Die zentral verwendete Software, die die Verkaufsmengen dokumentiert, ermöglicht dabei eine individuelle Datenauswertung der Konsummuster. Um die Studienteilnehmenden bereits von Anfang an für einen bewussten und reflektierten Cannabiskonsum sensibilisieren, ist die Durchführung von „Safer-Use und Konsumkompetenz”-Workshops geplant. Die Beratungs- und Präventionsangebote sollen darüber hinaus weiter ausgebaut werden. Dabei soll ein besonderer Fokus auf Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegen.

HCN/aw