Höher, schneller, weiter…. wo bleibt die gute alte Zuckertüte?

Themenbild @DaWanda, C. Schneider

Hannover – Nun geht für viele Kids in Garbsen und der Region die Schule los. Sicher sind die Kleinen schon wochenlang aufgeregt und voller Vorfreude. Aber Vorsicht, der erste Tag in der Schule könnte bei dem einen oder anderen Kind das 1.traumatische Erlebnis auslösen – es geht um die Schultüte (früher nannte man sie Zuckertüte).

Wer erinnert sich noch an seine Zuckertüte bei der Einschulung?

So sahen die Schultüten allgemein noch vor ein paar Jahren aus. Themenfoto

Meistens gab es die Zuckertüten in Schreibwarengeschäften (die es heute kaum noch gibt), zu kaufen. Bunt waren Sie, meistens mit den Buchstaben „ABC“ beklebt, vielleicht auch mit dem Motto der Lieblingsserie oder der Lieblings-Märchenfigur. Hinein packten Mama und Papa Süßigkeiten, hier und da fand man ein paar Buntstifte, einen Zeichenblock und ein Feder-Etui, selten den ersten „Füller“. Gott sei Dank waren die Tüten der Klassenkameraden/innen ähnlich und mit fast identischem Inhalt. Wie schön war es, die Schultüten der Anderen zu betrachten und einen Blick hineinzuwerfen. Wie beruhigend dann, dass die Eltern der weiteren Erstklässler auch nur „mit Wasser kochten“ und der Inhalt wenig Grund bot, um neidisch auf die Zuckertüte des Klassenkameraden zu sein.

Heute sehen die Schultüten teilweise wie Kunstwerke aus, das erste „Battle“ der Erstklässler-Mamis

Höher, schneller, weiter… auf die Schultüte, fertig, los! Schon am Einschulungstag kann man die übereifrigen Mamis beobachten, wie sie die Zuckertüten der anderen Kinder mustern und innerlich ein „yes“ mit geballter Faust in sich hineinbrüllen, wenn keine andere Schultüte aufwendiger gestaltet wurde, als die des eigenen Schützlings. Wichtig ist doch, den Lehrkräften gleich zu demonstrieren wie kreativ man ist, um den ersten Eindruck zu optimieren. Am besten man nimmt noch naturbelassenes Material aus dem Wald, selbst gesammelt, ohne Farbstoffe und möglichst mit veganer Tusche bemalt (Lehrer stehen oft drauf). Figuren zieren die Schultüte und jede Menge Accessoires baumeln vorn und hinten daran herum, sodass die Kids schon beim Tragen höllisch aufpassen müssen, dass nichts kaputt geht. Was für ein furchtbarer Gedanke, wenn Arielle die Meerjungfrau noch vor dem Schulgebäude in der Gosse liegt und Mama Tränen in den Augen hat, weil das Kunstwerk jetzt nicht mehr vollkommen ist.

 

Auch der Inhalt hat sich stark verändert

Als wir früher noch über die Zuckertüte herfielen und entzückt waren von zahlreichem Süßkram, welcher wohlwissentlich bei regelmäßigem Verzehr und schlechter Zahnpflege die Beißerchen ruiniert, konnte uns das am 1. Schultag nicht davon abhalten, den „Tag der ungesunden Ernährung“ zu leben und unsere drei Mahlzeiten an diesem Tag mit Schokoküssen, Weingummi und Dauerlutschern zu verfeinern. Heute könnte so manchem Kind der Blick in die Schultüte ein Gähnen aufs Gesicht zaubern, denn die Tupperdose mit geschnittenem Obst, den zuckerfreien Vollkornkeksen und einem veganem Schokoriegel kennen die Kleinen ja noch aus der KiTa, der laktosefreie Milchdrink inklusive. Allerdings bringt dann hoffentlich das Sparbuch von „Omma“, die erste Goldkette von der Patentante oder das 1. Smartphone den Erstklässler zum Jubeln.

Die armen Kleinen mit einer „normalen“ Zuckertüte

Schublade auf, Kind mit Normalo-Zuckertüte rein?

Es ist für jeden leicht nachzuvollziehen wie sich d a s Kind fühlt, dessen Eltern tatsächlich noch die ABC Schultüte für 5€ gekauft haben, das Teil mit Süßigkeiten bis oben hin vollgepackt haben und ausnahmsweise erlauben, am Einschulungstag die „Zuckerdiät“ zu leben. Man kann auf die Fragen der Mitschüler gespannt sein „Hat deine Mami dir keine Schultüte gebastelt? Schau mal meine, da haben Mama und 18 andere 7 Wochen dran gearbeitet. Was, du darfst das essen? Das ist doch ungesund usw usw“. Steigt da schon der Mama, die es gewagt hat diese Zuckertüte zu kreieren die Schamesröte ins Gesicht und muss sich das Schulkind gleich am 1. Tag wohlmöglich für die Schandtaten der Eltern verantworten? Möglich ist es.
Man kann es sehen wie man will, Einstellungen vertreten wie die jeder für richtig hält, das ist alles in Ordnung. Aber bitte liebe Eltern und Lehrer…… verurteilt nicht, zieht keine falschen Schlüsse und lasst die Menschen aus den Schubladen raus. Vielleicht sollten wir am 1. Schultag der Kinder einfach nur dafür sorgen, dass diese glücklich sind, die Klassenkameraden/innen ohne Vorurteile kennenlernen und erste Freundschaften geschlossen werden können, unabhängig von der Schultüte.
HCN/bs