Weißstörche fliegen auf die Region Hannover – Saison-Bilanz 2023

Weißstörche fliegen auf die Region Hannover - Saison-Bilanz 2023
Foto: rawpics.de

Hannover – Dr. Löhmer: Mit 147 Storchenpaaren neuer historischer Höchststand erreicht – beliebteste Brutorte sind Neustadt und Wunstorf

Seit 1934 wird der Bestand an Weißstörchen in der Region Hannover erfasst. So viele Brutpaare wie in diesem Jahr hat es noch nie gegeben:
In seinem vorläufigen Storchenreport für das Jahr 2023 hat Dr. Reinhard Löhmer, ehrenamtlicher Beauftragter für die Weißstorchbetreuung, 147 besetzte Nester ausgemacht. Ein deutliches Plus gegenüber dem Vorjahr (110 Nester).

Der Experte geht davon aus, dass am Ende der Saison über 255 Storchenjunge flügge sind und erwartet auch zukünftig mehr Arbeit: „Die Bestandserfassung ist nochmals schwieriger geworden. Einerseits weil die Störche heute an Orten siedeln, wo sie in historischer Zeit nicht vorgekommen sind und Hinweise aus der Bevölkerung erfordert. Anderseits auch deswegen, weil die Paare zunehmend in oder auf Bäumen Nester bauen. Die Schnittteller geasteter oder geköpfter Bäume bieten ideale Voraussetzungen für den Nestbau. Durch die Belaubung wird es allerdings zum Teil schwerer, vor allem die Anzahl der Jungen zu ermitteln.“

Zum Vergleich: Noch vor gut zehn Jahren gab es nur ein Viertel des gegenwärtigen Bestandes. 1988 lag der Tiefststand bei den Regionsstörchen bei nur neun Paaren. Im Erstzähljahr 1934 waren es 55 Paare.

Der Bericht im Wortlaut:

Weißstörche in der Region Hannover im Jahre 2023

Vorbemerkung

Die ersten Jungstörche der laufenden Brutsaison sind bereits seit gut drei Wochen flügge und werden in Kürze den Familienverband verlassen. Die Mehrzahl der Jungen ist kurz vor dem Ausfliegen. Einige Nachzügler werden erst Mitte August folgen. Es ist also Zeit für eine (vorläufige) Bilanzierung der Storchensaison in der Region Hannover.

Die Bestandserfassung ist nochmals schwieriger geworden. Einerseits weil die Störche heute an Orten siedeln, wo sie in historischer Zeit nicht vorgekommen sind und Hinweise aus der Bevölkerung erfordert. Anderseits auch deswegen, weil die Paare zunehmend in oder auf Bäumen Nester bauen. Mehr als ein Viertel aller Nester befindet sich in Bäumen. Die Teller geasteter oder geköpfter Bäume bieten ideale Voraussetzungen für den Nestbau. Durch die Belaubung wird es allerdings bei einigen Nestern schwer, vor allem die Anzahl der Jungen zu ermitteln.

Verlauf der Brutsaison

Das Storchenjahr 2023 begann wieder mit der frühen Rückkehr der Westzieher aus ihren Winterquartieren (über die Meerenge von Gibraltar nach Westafrika bzw. retour) schon im Februar. Anfang März waren sie nahezu vollzählig auf ihren Horsten. Die ersten Ostzieher (über den Bosporus nach Mittel- oder Südafrika) trafen ab Ende März, vermehrt auch erst Ende April ein. Unbesetzte Nester waren für die Ostzieher „Mangelware“. Die brutwilligen Störche mussten auf bis dahin nie besetzten Nisthilfen Quartier nehmen oder aber sich selbst eine Bleibe suchen. In der Region Hannover ist die Zahl der Neugründungen, die ohne Hilfen des Menschen gebaut worden sind, erheblich. (Populations-) biologisch gesehen, ist es zu begrüßen, wenn die Störche entscheiden, wo sie siedeln möchten.

Im Vergleich zum Vorjahr gibt es 27 neue Neststandorte!

Nach wie vor machen sich die nachwuchsstarken Jahrgänge seit 2019 (Mäusejahr!) im Bestand bemerkbar. Die frühen Westzieher sind ab Mitte März zur Brut schritten, die „Nachzügler“ teilweise erst Anfang Mai. Im Vergleich zum Vorjahr (110 besetzte Nester) gibt es in diesem Jahr mit 147 Brutpaaren nochmals einen Zuwachs um mehr als 10 %.

So viele Störche hat es in der Region in historischer Zeit noch nie geben.

In der Region Hannover ist wieder die Stadt Wunstorf mit nunmehr 39 Paaren führend, erneut gefolgt von der Stadt Neustadt mit 28 Paaren. Der Zuwachs in Wunstorf geht auf die Koloniebildungen in der Aueniederung im Raum Bokeloh, Mesmerode und Idensen zurück. Der Zuwachs ist schon erstaunlich und ist im Vergleich zu anderen Vogelarten ungewöhnlich, weil im Grunde der Lebensraum seit langem unverändert ist. Der Zuwachs basiert nach wie vor auf der Zunahme der Westzieher im Bestand.

1988 war in der Region Hannover mit nur neun Paaren der Tiefststand erreicht. Im Vergleich ist auch die Zahl von 1934 mit 55 Paaren deutlich niedriger ausgefallen. Von den 147 Paaren haben 111 erfolgreich gebrütet. Sie werden am Ende der Saison mehr als 255 Junge aufgezogen haben. 36 Paare oder 24,5 Prozent aller Paare sind ohne Bruterfolg geblieben.

In diesem Jahr hatten die „Frühbrüter“ die besseren Brutergebnisse. Schwerer hatten es die Spätbrüter. Für sie waren der Mai und Juni zu trocken und zu kühl. Für die Ernährung der Jungen fehlten der Regenwurm und die (Groß-)Insekten. Die Anzahl der Paare ohne Junge ist mit 24,5 Prozent aller Paare etwas hoch, aber vergleichsweise „unauffällig“.
Auffällig ist dagegen, dass fast die Hälfte der Paare (48 Prozent) lediglich zwei Junge aufgezogen haben. Diese Jungenzahlen spiegeln die Engpässe in der Versorgung wider. Immerhin gab es aber auch 28 Paare mit drei Jungen. Acht Paare konnten sogar vier Junge aufziehen. Herausragend sind je fünf Junge in Immensen, Horst und Kolenfeld.

Weißstörche fliegen auf die Region Hannover - Saison-Bilanz 2023
Fünf auf einen Streich_Horst in WU-Kolenfeld Quelle: Reinhard Löhmer

Mit einem Bruterfolg von 1,73 Junge pro alle Paare liegt das Ergebnis wieder im Bereich des langjährigen Mittels.

Ausblick

Die Ursachen für den anhaltenden „Boom“ im Bestand basieren vor allem auf Entwicklungen bei den Westziehern, denen inzwischen zwei Drittel aller Brutvögel in der Region Hannover zuzuordnen sind. Durch die Überwinterung im spanischen Raum, zum Teil auch schon in Mitteluropa sind ihre Zugwege kürzer geworden. Dadurch haben sich die Verluste auf den Zugwegen und im Winterquartier verringert. Folglich kommen mehr westziehende Störche in ihr Geburtsgebiet zurück.

Auffällig bleibt weiterhin, dass sich immer mehr jüngere, zweijährige Störche im Sommer im Brutgebiet aufhalten und auch schon brüten. Die Paare rücken näher zusammen. Die größere Siedlungsdichte erhöht dann aber auch die territoriale Konkurrenz und Aggression. Diese können nicht durch ein zusätzliches Angebot an Nisthilfen „behoben“ werden, denn letztendlich bleibt die „Storchfähigkeit“ des Lebensraumes von entscheidender Bedeutung.

HCN/aw